"Schau mir auf die Blätter KLEINES, dann sage ich dir wer du bist!"

 

 

Die Blätter von Waldmeister und Labkraut, angeordnet im Quirl, treffen sich im Reich der Künste

 

Vorgestellt von Kräuterpädagogin Andrea Illguth

 

 

 

„Schau mir in die Augen, Kleines!“ lautete Humphrey Bogarts bekanntes Zitat in dem Film Casablanca an Ingrid Bergmann. In die Pflanzenwelt hineininterpretiert, könnte es besser heißen: schau mir auf die Blätter, Kleines, dann sage ich dir wer du bist! Denn genau wie Blüte, Wuchsform, Samenstände, Knospen, Blattnarben usw., sind die Blätter ein sehr wichtiges Erkennungsmerkmal, geben den Pflanzen ihre Erscheinung, von der sich die Menschen schon seit jeher angezogen fühlten.  

 

Die Darstellung von Blättern, Gräsern und Kräutern in allen ihren Facetten zu malen, begeisterte schon Albrecht Dürer (21. Mai 1471 – 6. April 1528.) Seine Aquarelle, das große Rasenstück und der Feldhase, sind zwei der bekanntesten Naturstudien der deutschen Kunstgeschichte. Pflanzen spielten in der Kunst schon immer eine große Rolle. Ganz nach dem Motto „Designed by Nature“, entwickelte sich die Arts-and-Crafts - Bewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert als Gegentrend zur Industrialisierung mit ihrer Massenproduktion von Waren minderer Qualität. Die Aussagen dieser Bewegung waren die Rückbesinnung auf das einst ehrbare Handwerk, hochwertige Materialien und das einfache Leben. Treibende Kraft war der Kunsthandwerker William Morris. Er war es, der seine Schüler anregte, die Natur als grundlegende Kraft des Lebens zu betrachten. Wurzeln, Ranken und Blüten, die sich oft zu Bildern sinnlicher Frauen verwoben, spiegelten sich in hochwertigen Tapeten und Textilien wider. Zwar nannte er die gemalte Pflanze beim Namen, die Darstellung war aber botanisch nicht korrekt.

 

Wie alle Pflanzenorgane, entstehen auch die Blätter aus sich teilenden Zellen. Das optimale Timing ist wichtig!  Auch in der Welt der Pflanzen! Treiben junge Blätter zu früh aus, indem sich die Knospe zu früh öffnet, könnte der Frost große Schäden anrichten. Öffnet sie sich zu spät, geht wertvolle Zeit für die Entwicklungsphase verloren. Um diese Szenarien zu vermeiden, messen feinste Sensoren in den Pflanzen die Anzahl der kalten Tage, um wahrzunehmen wann der Winter vorbei ist. Um die jungen Blätter möglichst lange zu schützen, wachsen sogar die Schuppen mit der anschwellenden Knospe mit. Werden die Blätter immer größer, fallen die Schuppen ab. Ziemlich zerknittert schauen die neugeborenen, zarten Blättchen am Anfang noch aus. Kein Wunder, denn im Inneren der schützenden Hülle waren sie lange an der Blattspreite (Lamina) entlang, origamihaft gefaltet. Die jeweilige Faltung gibt die spätere Form an.

 

Im Pflanzenreich ist alles nach einer strengen Ordnung aufgebaut. Betrachten Sie doch einmal den Blattaufbau von der Spitze eines Sprosses her. Mathematisch akkurat ist oft der Abstand der angeordneten Blätter, die sich grazil um den Spross schmiegen. Die feine Sprossspitze wird durch die wechselständige Anordnung der Blätter zudem geschützt. Und so entsteht die wechselständige Blattstellung! Damit sich ein neues Blatt in der gewünschten Formation bilden kann, spielen die Hormone eine wichtige Rolle. In diesem Fall trägt es den Namen Auxin. Und so funktioniert es: an der Spitze nehmen die jungen Blätter das Wachstumshormon auf. An der gegenüberliegenden Seite der Spitze entsteht ein Mangel an Auxin. Um den wechselständigen Bauplan korrekt zu steuern, kann sich erst wieder ein neues Blatt an der Stelle bilden, welche vom  jüngsten Blatt am weitesten entfernt ist. Einfach genial!

 

Am häufigsten kommen die wechselständigen Blätter vor, die Blätter stehen bildlich gesehen spiralig am Spross, von gegenständig wird gesprochen, wenn sie sich parallel, gegenüberstehen oder um 90° versetzt sind. Der Waldmeister und die Labkräuter zeigen uns die Variante der Stellung im Quirl an.

 

 

 

Waldmeister (Galium odoratum), Rötegewächs (Rubiaceae) und Wald-, Echtes und Klettenlabkraut, Rötegewächse (Rubiaceae)

 

Waldmeister liebt es in Laubwäldern, vor allem in Buchenwäldern zu wachsen. Er ist ein sehr bekanntes Frühjahrskraut, wird wegen seines markanten Geschmacks gerne in der Maibowle und in Süßspeisen verwendet. Kennen sie die Maibowle? Das Getränk wird in der Walpurgisnacht vom 30. April auf den 1. Mai getrunken. Der Ursprung findet sich im heidnischen Fest Beltane. Die Kelten begrüßten den Frühling mit ausgelassenen und ausschweifenden Festen. Das Getränk hebt die Stimmung nicht nur wegen des Alkohols. Waldmeister darf in der Bowle nicht fehlen, vertreibt er, bzw. der sekundäre Inhaltsstoff Cumarin, doch Schwermut und Melancholie. Doch Vorsicht, zu viel davon kann Übelkeit und Kopfschmerzen verursachen. Das liegt zum einem am Alkohol, aber auch an zu viel Galium odoratum.

 

In früherer Zeit erhielt der Waldmeister den Namen „Mariä Bettstroh“. Die Bezeichnung geht auf eine alte vorchristliche Sitte zurück, verschiedene Kräuter in Kissen und Matratzen zu legen. Sie sollten die Geburt erleichtern und danach auch das Neugeborene beruhigen. Es hieß, der Waldmeister solle das Herz der Mutter und das des Kindes stärken. Daher rührt auch der alte Name „Herzfreude“.

 

In alten überlieferten Rezepten heißt es: Er macht ein frohes Herz und heilt vielerlei Altersleiden im. Deshalb wird er auch als Schlaftee für ältere Menschen, bei leichter Herzschwäche und Harnwegsbeschwerden eingesetzt. Ein Tässchen Tee kann Kopfschmerzen lindern, zu viel verstärkt es. Das Cumarin im Waldmeister soll entzündungshemmend, abschwellend, durchblutungsfördernd und deshalb allgemein anregend sein. Pharmakologisch wird eine Zubereitung gegen Venenleiden angeboten. Wie bei allen Pflanzen, die Sie verwenden ist das Erkennen oberste Prämisse! Im Fall des Waldmeisters ist die Blüte zierlich, weiß und sternförmig. Sie besteht aus 6-8 Kronblättern. Zum Verwechseln ähnlich ist ihm das Waldlabkraut, noch dazu bevorzugen sie gleiche Habitate. Obwohl das Waldlabkraut nicht duftet, hilft uns das nicht gleich bei der Erkennung weiter. Cumarine sind nämlich an Zucker gebunden und im Zellinneren gelagert, erst durch die Zellzerstörung kommt es zum typischen Duft. Sobald das Kraut blüht, reichert sich der Gehalt an Cumarin an, daher ist der richtige Erntezeitpunkt für die Anwendung in Essensrezepten vor der Blüte zu empfehlen.  Seit 1974 ist die Aromatisierung mit Waldmeister in Limonaden und Süßigkeiten in Deutschland verboten. 

 

Waldmeister im Vergleich mit dem Waldlabkraut. Waldlabkraut ist mit dem Waldmeister verwandt, beide sind in der Familie der Rötegewächse Zuhause. Die kleinen weißen Blüten und die im Quirl rund um den Stängel angeordneten Blätter sehen ganz ähnlich aus. Doch das Waldlabkraut blüht später im Juni, Juli. Es schießt höher auf, nämlich bis zu 40 cm. Außerdem hat die oft mehrfach verzweigte Pflanze blasse blaugrüne Blätter und einen stielrunden, vierfach geriffelten Stängel - während die Blätter des Waldmeisters sattgrün an einem kantigen Stängel wachsen. Die Blüten des Waldlabkrauts stehen in großen Rispen zusammen, die des Waldmeisters bilden kleine, kugelige Klettenfrüchte aus.

 

Wissenswertes zum Wiesenlabkraut (Galium mollugo). Mit der Wurzel können Textilien gefärbt werden, das Farbergebnis ist rot. Genauso wie mit den Wurzeln des Färberkrapps. Früher war die Farbe  rot den Königen und Kardinälen vorbehalten.  Die Pflanze enthält ein Lab - Enzym und wurde deshalb zur Käseherstellung verwendet, der frische Saft kam hier zum Einsatz. In heutigen Versuchen ist dies nicht mehr gelungen, vermutlich sind zu diesem Zweck nur die ganz alten Arten in der Lage gewesen. Da die Spitzen des Wiesenlabkrauts immer nachwachsen, lassen sie sich gut ernten und als nahrhaftes Gemüse verwenden, frischer geht es nicht!  Das Klettenlabkraut (Galium aparine) zu einem Korb verlochten und als Käsesieb für den Bruch verwendet, würde auch heute noch funktionieren.   Das echte Labkraut (Galium verum) ist selten und blüht gelb, duftet wunderbar süß und nach Honig. Galium Arten enthalten Cumarin. In Büschel aufgehängt, verströmen sie, bei einem aufziehenden Gewitter,  ihren typischen Geruch nach Waldmeister. Der Luftdruck verändert sich, die Pflanzen gibt dadurch ihren Duft frei. Früher war das eine moderates Mittel, um das Wetter vorher zu sagen können. Getrocknet eignet sich dieses zarte Pflänzchen auch zum Verräuchern, es soll helfen Stress abzubauen, kleine depressive Stimmungen besser zu bewältigen, altes belastendes loszulassen und das Geschehene in Dankbarkeit anzunehmen.

 

Rezept Badepralinen mit Waldmeister

 

200 g Natron, 100 g Zitronensäure, 50 g Kakaobutter, 50 g Speisestärke circa 10 Tropfen ätherisches Walmeister Öl, 1 TL Lebensmittelfarbe oder Farbpigmente (wasserlöslich), evtl. Deko wie getrocknete Blüten und Kräuter, z.B. von Rosen, Lavendel, Ringelblume oder getr. Beeren. Alle Zutaten in eine Schüssel geben und gut miteinander vermengen. Erhältlich sind runde Badekugelformen aus Metall, alternativ können Sie Kugel  mit den Händen formen, oder die Masse in Silikonformen geben. Circa eine Stunde aushärten lassen.  


 



 

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ANDREA ILLGUTH

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